Für die konsequente Verkehrswende: rot + solidarisch = sozialistisch

Grußadresse 1. Mai in Zürich

Eine konsequente Verkehrswende ist zugleich solidarische und linke Politik. Konsequente Verkehrswende ist nicht nur grün und ökologisch, sondern auch rot und sozialistisch. Und dies aus drei Gründen.

Erstens verstehen wir als Linke Mobilität als ein gesellschaftliches Gut; etwas, das mit kollektiver Kommunikation und mit Bewegung auf Augenhöhe zu tun hat. Wenn sich ein Porsche Cayenne und ein Velo im Verkehr begegnen, ist das das Gegenteil dessen, was wir unter gesellschaftlicher Mobilität verstehen. Auch widersprechen sich autonomes Fahren und E-Autos einerseits und Fußverkehr und Radeln andererseits. Die kollektive und gleichberechtigte Mobilität wird am besten verwirklicht, wenn sie so gut wie ganz nur aus Fußverkehr, Radverkehr und Verkehren mit öffentlichen Verkehrsmitteln – Bus und Tram – besteht. Das Auto sollte in einem solchen Verkehrskonzept ein Restposten sein.

Zweitens meint gesellschaftliches Gut auch, es sollte gratis sein. Es war eine historische Errungenschaft der fortschrittlichen Bewegungen, dass seit Jahrzehnten Gesundheit, Altersversorgung und Bildung weitgehend allgemein finanzierten Güter sind. Dass sie also im konkreten individuellen Gebrauch gratis sind. So sollte es auch im Fall der Mobilität sein. Die Gesellschaft finanziert gute, breite Gehwege, flotte Radwege und komfortable öffentliche Verkehrsmittel. Ihr konkreter individueller Gebrauch erfolgt gratis – zum Nulltarif. Wie das im Einzelnen finanziert wird, mag von Fall zu Fall verschieden sein. Gegebenenfalls ist ein entsprechender Nulltarif in den öffentlichen Verkehrsmitteln von denen zu finanzieren, die genug haben und die viel davon profitieren: von den Unternehmen.

Drittens sind wir Linken die Einzigen, die auch im Verkehrsbereich an die erste Stelle das Thema Verkehr VERMEIDEN stellen. Und danach erst das Verkehr VERLAGERN.

Damit ist gemeint: Bereits aus Gründen der Bekämpfung der drohenden Klimakatastrophe muss alles getan werden, die materielle Produktion (und den motorisierten Verkehr gleich welcher Art) zu reduzieren. Dieser ist immer mit das Klima belastenden Emissionen verbunden. Hinzu kommt: Wir erlebten in jüngerer Zeit einen erzwungenen Verkehr, eine Verkehrsinflation, eine immense Zunahme der im Jahr je Person zurückgelegten Kilometer. Mehr Kilometer ist nicht identisch mit mehr Mobilität und schon gar nicht identisch mit mehr Lebensqualität. Zwei Beispiele:

  1. Der Anstieg der Bodenpreise und der Mieten ist ein Produkt der kapitalistischen Bodenordnung. Damit wird Verkehr – und zwar unnötiger Verkehr – produziert. Die Leute mit weniger hohen Einkommen ziehen ins Umland; es wird immer mehr Zersiedelung geschaffen. Wir sind für einen Stopp der Bodenspekulation und für eine Deckelung von Bodenpreisen und Mieten. Was bereits EINE Maßnahme zur Reduktion von Verkehr ist.
  2. Oder nochmals mehr praktisch: Eine Stadt, die wieder den Menschen gehört, in der man gefahrlos auf den Straßen flanieren, in Straßencafes plaudern und auf grünen Plätzen mit Freunden, Freundinnen und Kids chillen kann, ist eine Stadt, die in riesigem Maßstab Verkehr REDUZIERT. Weil dann Mobilität wieder im Nahbereich und ohne Kilometerfraß stattfinden kann. Mit Bertolt Brecht: „Die Träumerei von der Natur / Kommt von der Unwirtlichkeit der Städte.“

Eine solidarische Gesellschaft ist der direkte Widerspruch zu der Anforderung der kapitalistischen Produktionsweise, in der das „immer weiter, immer schneller, immer mehr“ im Zentrum steht. Eine konsequente Verkehrswende läuft auf eine echte Revolutionierung des Verkehrssektors hinaus. Sie ist identisch mit Entschleunigung und Genuss. Slow Food statt Fast Food. Slow Foot & Genuss anstelle von Rasen & High Speed.

Oder in den Worten des linken Theoretikers Walter Benjamin: „Marx sagt, die Revolutionen sind die Lokomotiven der Weltgeschichte. Aber vielleicht ist dem gänzlich anders. Vielleicht sind die Revolutionen der Griff des in diesem Zug reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse.“