„Wir sind keine Kriegsgewinnler“

quartalslüge I/MMXXIII

„Wir sind keine Kriegsgewinnler, sondern Krisenhelfer“. So der Vorstandschef des Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger.1 Das ist eine Quartalslüge. Nicht nur Rheinmetall, sondern auch Herr Papperger sind Kriegsgewinnler. Inwieweit sie Krisenhelfer im Ukraine-Krieg sind, ist vor dem Hintergrund früherer Rheinmetall-Geschäfte in Russland fragwürdig.

Der Reihe nach. Nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn machte die Aktie des Düsseldorfer Rüstungskonzerns Rheinmetall einen Sprung nach oben. Seither erhöhte sich der Börsenwert des Unternehmens um das Zweieinhalbfache. Vergleichbare Gewinne gab es nur noch vom zweiten großen deutschen Rüstungskonzern, von Hensoldt (siehe Grafik).

Herr Papperger ist persönlich an diesen Gewinnen beteiligt. Erstens weil ihm als Teil seines Managergehalts (2020 und 2021 zusammen mehr als 10 Millionen Euro) zusätzlich Rheinmetall-Aktien zugeteilt werden. Seit 2013 und bis Mitte Februar 2023 waren es exakt 66.906 Rheinmetall-Aktien, was am 17. Februar 2023 16,5 Millionen Euro entsprach.2 Zweitens, weil Herr Papperger bei seinem anstrengenden Job noch Zeit findet, zum durch Insider-Wissen optimierten Zeitpunkt zusätzliche Rheinmetall-Aktien zu erwerben. Da solche „Eigengeschäfte“ von Vorständen und Aufsichtsräten eines Unternehmens nach Artikel 19 der Europäischen Marktmissbrauchsverordnung meldepflichtig sind, lässt sich dieser Vorgang genau dokumentieren. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete wie folgt: „Selbst tätig geworden am Aktienmarkt mit Rheinmetall-Papieren ist der Vorstandsvorsitzende ausweislich der ´Manager Transactions´ und der Geschäftsberichte seit 2013 erst im Ja hr 2020. Meist hat er ein paar tausend Aktien gekauft, zweimal jedoch mehr als 23.000. Auch dabei war er geduldig und hat bislang starke Schwankungen der Aktie stoisch ausgesessen. (…) Verkauft hat er keine Anteile, zusammengekommen sind seit Anfang 2020 insgesamt 110.350 Aktien, knapp 9,3 Millionen Euro hat er dafür ausgegeben. Zum Preis von 247 Euro waren die am vergangenen Freitag (17.2.; LP21-Red.) rund 27,3 Millionen Euro wert. Zusammengenommen fast 30 Millionen Wertzuwachs verzeichnet Papperger also allein mit seinen Rheinmetall-Aktien – und da sind noch nicht die Dividenden enthalten.“

Der Rheinmetall-Chef kann in der Öffentlichkeit Erklärungen abgeben, die den Wert des eigenen Aktienpakets mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhöhen. Und das tut er. So, wenn er Ende Februar äußert, die deutsche Hauptstadt Berlin sei aktuell gegenüber Luftangriffen kaum geschützt. „Wir hatten zwei Komplettsysteme (zur Luftverteidigung; LP21-Red.), die sind im Augenblick in der Ukraine.“ Es handle sich dabei um Systeme des Typs „Skyranger“. Und wer ist der Hersteller dieses Systems? Rheinmetall.3

So, wenn Herr Papperger sagt, Europa könne sich aktuell nicht verteidigen. „Laut den Planungen müssten wir 500.000 Schuss für Artillerie im Bunker haben – die haben wir bei weitem nicht.“ Nicht ganz zufällig ist Rheinmetall entscheidender Lieferant von Munition.

So, wenn Herr Papperger äußert, die bislang beschlossenen „Investitionen im Rahmen der Zeitenwende“ seien nicht ausreichend. „200 bis 300 Milliarden“ seien stattdessen nötig. Die entscheidende Erfahrung des ersten Jahres des Ukraine-Kriegs lautet, dass Rheinmetall von dem „Zeitenwende“-Sondervermögen massiv profitiert. Fordert man zusammen mit Verteidigungsminister Boris Pistorius einige Schippen obendrauf, dann wird das zusätzlich förderlich sein.

Papperger sagt auch: „Ich gebe dem Kanzler recht: Die Ukraine darf nicht verlieren.“ Gleichzeitig kritisierte er die Berliner Friedensdemo vom 25. Februar in Berlin: „Für mich sind Menschenrechte höher einzustufen als Pazifismus“.4 Der Mann setzt auf einen lang anhaltenden Krieg, was förderlich für Rheinmetall und für das eigene Aktiendepot ist.

Die klare Parteinahme für die Ukraine und für Menschenrechte muss vor dem Hintergrund der jüngeren Konzerngeschichte hinterfragt werden. Rheinmetall erhielt 2011 den Auftrag für die Errichtung eines Gefechtszentrums für die russische Armee in Mulino, 350 Kilometer östlich von Moskau. Als 2014 nach der Annexion der Krim durch Russland die Exporterlaubnis für dieses Geschäft vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel widerrufen wurde, forderte Rheinmetall vom Bund 120 Millionen Euro Entschädigung. Auf Kritik am Russland-Geschäft reagierte Rheinmetall so: „Damals bestanden offizielle Verbindungen zwischen der russischen Armee und der Bundeswehr.“5 Dass es vor einem Jahrzehnt offizielle Verbindungen zwischen Bundeswehr und der russischen Armee gab, liest man heute eher selten.

Damit nicht genug. Im zitierten Beitrag wird mit vielen Details darüber berichtet, dass es bis 2019 eine Zusammenarbeit zwischen der Rheinmetall-Tochter Rheinmetall Defence Electronic GmbH, zwei weiteren Rheinmetall-Gesellschaften mit Sitz in Russland einerseits und der russischen Regierung andererseits gegeben habe. Ziel sei es gewesen, das erwähnte Trainingszentrum für die russische Armee zu Ende zu bauen. Rheinmetall hat diesen Darstellungen widersprochen. Im Übrigen – Stichwort: Menschenrechte – ist Rheinmetall am Jemen-Krieg beteiligt; die italienische Rheinmetall-Tochter RWM S.p.A. lieferte in großem Umfang die entscheidenden Bauteile für Bomben vom Typ MK82 und MK84 über eine Zwischenstation in Abu Dhabi an die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz. Die bombardiert im Jemen in großem Umfang zivile Ziele. Die Rheinmetall-Eigenwerbung für den genannten Bombentyp: „Perfekt für Situationen, die höchsten Druck und Explosionskraft  erfordern.“6

Sicher ist: Rheinmetall befindet sich auf dem Erfolgspfad. In Ungarn wird eine neue Munitionsfabrik gebaut. In Spanien übernahm Rheinmetall Ende 2022 für 1,2 Milliarden Euro den Munitionshersteller Expal. Pikant dabei: Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte im April 2022 in einer Videoansprache vor dem spanischen Parlament die damalige Expal-Muttergesellschaft Maxam als ein Unternehmen bezeichnet, das auch nach Kriegsbeginn in Russland aktiv sei.7 In Bälde soll Rheinmetall in den DAX, in die Gruppe der 40 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands, aufsteigen – es gibt hierzulande keinen größeren Kriegsgewinnler als Rheinmetall (Siehe auch den Artikel „Weltweite Rüstungsbranche und Ukraine-Krieg“ auf Seite 34).

Anmerkungen:

1 Siehe https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unter
nehmen/rheinmetall-ruestungsindustrie-101.html

2 Nach: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. Februar 2023. Dieser Artikel ist auch die Basis für die folgenden Zitate und Zahlen zu Rheinmetall und Pappergers Finanzen.

3 In: Kölner Stadtanzeiger vom 28. Februar 2023.

4 Vorausgegangene Papperger-Zitate ebd.

5 Nilofar Eschborn, Was geschah in Mulino?, nach: t-online Nachrichten vom 29.8.2022.  https://www.t-online.de/nachrichten/ukraine/id_100044886/rhein
metall-in-russland-ein-fragwuerdiges-geschaeft-was-geschah-in-mulino-.html

6 Siehe Winfried Wolf, In Kassel konstruiert – in Sardinien produziert – im Jemen explodiert, in: LP21, Heft 36, Winter 2016/17.

7 Mehr Feuerkraft für Rheinmetall, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. November 2022.

Der Artikel ist auch in der Printausgabe 61 von Lunapark21 erschienen.