Editorial

Lunapark21, Heft 61

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Leipziger Nationalbibliothek vermisst Lunapark21. Seit 1913 sammelt die Nationalbibliothek alle „deutsche und fremdsprachige Literatur des Inlandes und deutschsprachige Literatur des Auslandes“. Als ich vor der Wende für die Zeitungen „was tun“ (1974-1985) und später für die „Sozialistische Zeitung /SoZ“ verantwortlich zeichnete, hatte ich oft einen interessanten Austausch mit dieser Institution. Jede fehlende Ausgabe unserer aus DDR-Sicht „trotzkistisch/konterrevolutionären“ Publikationen wurde moniert. Dabei landeten unsere Blätter damals zweifellos im „Giftschrank“. Fanden sie dann doch interessierte Leserinnen und Leser? Jetzt also erneut Reklamationen aus Leipzig, wo man registriert hat, dass LP21 nicht im gewohnten Rhythmus erschien – Doppelnummer eben. Die Lücke wird mit diesem Heft ja geschlossen. Und auch ich melde mich pflichtschuldig zurück auf dem wackeligen Chefredakteurs-Klappstuhl. Die Berliner Charité ist der Auffassung, dass mir einige Zeit – „ein paar Jährchen“ – geschenkt wurden. Wir werden sehen. Und vor allem weiter kämpfen. Ermutigt haben uns dabei Dutzende persönliche Zuschriften und die Treue der Abonnenten und Abonnentinnen und zwei Dutzend neu Abonnierende. Hinzu kommt, dass mehr als 50 Abonnierende bei ihrem Abo ein Upgrade vornahmen. Das hilft uns sehr: Der erhebliche Anstieg der Kosten für Druck und Vertrieb würde uns unter normalen Bedingungen zum neuerlichen Anheben der AboGebühren zwingen. Angesichts der deutlich verbesserten Abo-Struktur sollten wir auf eine solche Maßnahme zumindest im laufenden Jahr verzichten können.

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In meinem Artikel zur weltweiten Rüstungsindustrie in diesem Heft taucht in Tabelle 1 als letztes Unternehmen Siemens auf. Als ich diesen Artikel schrieb, lagen mir dazu keine näheren Angaben vor. Kurz danach stieß ich auf die Meldung, wonach ein gewisser Greg Bowman, der 25 Jahre bei der US-Armee verbracht hat, zum „Chief Strategy Officer“ von „Siemens Government Technologies – SGT“ ernannt wurde. Eine Siemens-Tochter namens SGT hatte ich bis dahin nicht gekannt. Geht man auf die Homepage dieses Unternehmens (https://siemensgovt.com/), tauchen zunächst Bilder aus dem Militär-Bereich auf. In den Texten ist jedoch von Militärischem kaum die Rede. Erste Recherchen ergeben: SGT spielt, so ein Artikel in der Welt (5.4.2018) „eine Schlüsselrolle im US-Rüstungsgeschäft“. SGT sei dabei „vom restlichen Konzern abgeschirmt“ und erhalte „sensible Aufträge vom Pentagon“. Es gebe „keine Angaben zur Größe oder dem Umsatz“. Der gesamte Umsatz von Siemens in den USA beläuft sich auf rund 30 Milliarden Dollar bei mehr als 50.000 Beschäftigten. Wenn davon nur die Hälfte auf SGT entfällt, dann zählt Siemens mit der Tochter SGT zu den zwölf weltweit größten Rüstungsfirmen. Man lernt dazu.

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Im vergangenen Jahr gelang es, die beim Rumpfbündnis „Bahn für Alle“ vollzogene politische Wende (hin zu einem Kuschelkurs gegenüber der Deutschen Bahn AG) wettzumachen und mit der Gruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ (inzwischen umbenannt in „Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene“) die Arbeit fortzusetzen, die zwischen 2015 und 2021 durch Bahn für Alle erfolgte. Das LP21-Extra-Heft „Klimabahn statt Betonbahn“ vom Herbst 2022 wurde im Frühjahr mit einer erweiterten zweiten Auflage gedruckt und verbreitet. Am 29. März wird der diesjährige (120 Seiten starke) Alternative Geschäftsbericht Deutsche Bahn AG auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Am 31. März präsentieren wir unsere Arbeit in einer weiteren taz-Beilage. Seit dem 21. November läuft der Film von Klaus Gietinger „Das Trojanische Pferd – Stuttgart 21“ mit großem Erfolg in bislang mehr als zwei Dutzend Kinos. Das LP21-Interview mit Klaus Gietinger auf Seite 80. Wir freuen uns über Unterstützung – besucht die Website buergerbahn-denkfabrik.org [Achtung: die Domain „buergerbahn.org“ wurde von Bahn für Alle gekapert; dort wird man – gezielt fehlinformierend – auf „Bahn für Alle“ weitergeleitet.]

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Nochmals: Ich bedanke mich bei allen für die wunderbare Unterstützung für unser Lunapark21-Projekt und grüße ganz herzlich

Winfried Wolf