Deutschen Bahn AG und Stuttgart 21 vor einem dramatischen Jahr 2021

Rede Winfried Wolf auf der Montags-Demo am 21. Dezember 2020

Hier ist die Rede auf youtube (ab min 11) zu sehen

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

2020 war ja bereits ein dramatisches Jahr. Nicht nur wegen Corona. Auch hier in Stuttgart und mit Stuttgart 21. Neue Tunnel-Orgien. Neue Kostenexplosion. Das Übliche seit einem Jahrzehnt.

Neu war dann: Die Abwahl des Grünen OB. Gut so. Und: Nur 1 Prozent für den Chef-Corona-Leugner: Auch gut. Rückfall in CDU-Nopper-Zeiten: sehr schlecht.

Vor dem Stadtpalais zehn Meter hoch eine Skulptur, die die Stadtzerstörung mit Stuttgart 21 auf den Punkt bringt: ganz ausgezeichnet. Hier werden die Verantwortlichen für das Desaster in aller Nacktheit bloß gestellt.

Dank an dieser Stelle an alle, die da geholfen haben: Bernd und Doris vor Ort. Die mehr als 1000 Leute, die bisher ziemlich genau 150.000 Euro spendeten. Und vor allem natürlich Dank an Peter Lenk in Bodman.

Doch 2021 könnte nochmals dramatischer werden. Und dies aus zwei Gründen: Erstens weil der Bahn-Konzern in eine tiefe Krise gerät. Und zweitens weil es eine neue harte Auseinandersetzung zwischen Bahn und der GDL, Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, geben wird.

Dieses Geflecht will ich in meiner Rede aufdröseln.

Zur Krise des Bahnkonzerns

Im ablaufenden Jahr 2020 hat der Bahnkonzern einen Rekordverlust von 5,6 Milliarden Euro eingefahren. Gleichzeitig stieg die Verschuldung auf 32 Milliarden Euro. Die Bahnschulden liegen jetzt höher als die Schulden der Bundesbahn am letzten Tag – das war der 31. Dezember 1993. Die Bundesbahnschulden wurden in 44 Jahren angehäuft. Die Deutsche Bahn AG hat es geschafft, mehr Schulden in nur 26 Jahren aufzutürmen.

Natürlich spielen bei den Verlusten 2020 die Epidemie und die Fahrgastverluste eine große Rolle. Doch es gibt auch anderes.

Ein großer Teil des Defizits entsteht durch zwei Faktoren: durch die Auslandsengagements und durch das Großprojekt Stuttgart21.

Seit dem Amtsantritt des Möchtegern-Napoleon Hartmut Mehdorn als Konzernchef hat die Bahn systematisch im Ausland investiert. Das Ziel war der Aufbau eines Logistik Global Players. Inzwischen entfällt die Hälfte des Umsatzes der DB auf Auslandsgeschäfte. Diese werden im Wesentlichen unter dem Dach der zwei DB-Töchter Arriva und DB Schenker gebündelt. Schenker ist weltweit mit Flugzeugen, Schiffen und Lkw unterwegs. Der Konzern hat 76.000 Beschäftigte. Arriva wiederum hat 53.000 Beschäftigte und betreibt 17.000 Busse und 1100 Züge. Schenker ist im Inland auch mit Lkw unterwegs. Arriva ist nur im Ausland aktiv. Wobei die Züge, die Arriva betreibt, oft in Konkurrenz zu bestehenden staatlichen Bahnen fahren. So wie hierzulande Töchter der italienischen Staatsbahn oder der niederländischen Staatsbahn oder der französischen Staatsbahn mit eigenen – formal „privaten“ – Regionalbahnen in Konkurrenz zur Deutschen Bahn AG, dann zu DB Regio, fahren.

Soviel zur Rationalität im kapitalistischen Schienenverkehr in der EU.

Arriva wurde 2009 für 2,8 Milliarden Euro eingekauft. Das war damals die erste Großtat des damals neuen Bahnchefs Rüdiger Grube. Und ein Jahrzehnt lang hieß es immer: Arriva ist ein wichtiger Gewinnbringer. Das hat so nie gestimmt, auch weil man viel investiert hat. Was ja Geld war, das bei der Bahn im Inland fehlte. Doch spätestens 2020 ist das Arriva-Wende-Jahr. In diesem ablaufenden Jahr hatte Arriva einen Abschreibungsbedarf von 1,3 Milliarden Euro. Und diese Verluste könnten 2021 nochmals deutlich höher werden – auch in Folge des Brexit. Und als Resultat der Corona-Krise, seit gestern noch verschärft wurde durch die Mutation des Virus. Arriva wird damit zum Mühlstein für den Bahnkonzern.

Nun behauptet der Bahnvorstand seit drei Jahren: „Arriva wird verkauft“. Das sollte bereits 2018 drei Milliarden Euro einbringen. Diesen Verkauf forderte auch der Bundesrechnungshof. Und auch die Bundesregierung – also der Eigentümer – behauptet seit drei Jahren: „Arriva wird verkauft.“

Doch nichts dergleichen passierte. Der Verkauf wurde immer wieder hinausgezögert. Mal hieß es, es werde zu wenig geboten. Dann hieß es, man muss die Brexit-Entscheidung abwarten. Dann wieder: Wegen des Brexit sei es jetzt ganz ungut zu verkaufen.

Und heute? Arriva ist keinen Cent mehr wert. Die Konzerntochter verbrennt an jedem Tag Millionen Euro.

Und warum wurde Arriva nicht verkauft? Ganz klar: Es geht um den typischen Größenwahn von Konzernmanagern und Ministern. Diese geht der banale Schienenverkehr im Inland am Arsch vorbei. Was die interessiert, ist: im Tross der Kanzlerin First Class nach Dubai oder Peking düsen, auf irgendwelche roten Knöpfe drücken und Weltenlenker spielen.

Und was macht die andere große Bahn-Tochter im Ausland, was macht Schenker? Ausgerechnet im Corona-Krisen-Jahr tätigte Schenker in Singapur eine Rekord-Investition. Als ob im Konzern das Geld nicht an allen Ecken und Enden fehlen würde. Und was für eine Investition ist es, die Schenker tätigt? Eine S-Bahn? Eine Regionalbahn? Irgendwas Nützliches?

Tatsächlich wurde dort im Sommer 2020 ein neues Frachtzentrum für Luft- und Seefracht in Betrieb genommen. Die Art Jobs, die dort geleistet werden, sind echt besondere. Ich zitiere aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 11. August 2020).

„Gut hundert Luxusfüllhalter hat Ng Lu Hua in der vergangenen Stunde schon gegen die grelle Lampe gehalten und nach Kratzern gesucht. […] Ist der Glanz gebrochen, zieht ein Manager den Edelstift ein. Den hat der Markenkonzern in die Lagerhalle entsandt. Die Halle ist ein Neubau der Deutschen Bahn in Singapur […] Damit nichts verschwindet, tragen die Schenker-Leute Hosen ohne Taschen. Sie werden alle am Ausgang der Halle durchleuchtet. Die Verlockung ist gegeben.“

Es könnte ja sein, die Schenker-Leute in Singapur machen es mit den Luxus-Fülllfederhalter so wie weiland Ronald Pofalla im Bundestag.

Der jetzige Bahnvorstand Pofalla fiel als CDU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag in den Jahren 2006 bis 2009 ja dadurch auf, dass er aus Mitteln für den MdB-Bürobedarf Montblanc-Luxusschreibgeräte im Wert von exakt 14.722,32 Euro orderte. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Der zweite große Verlustproduzent im Bahnkonzern ist natürlich Stuttgart 21.

Diese Baustelle frisst Jahr für Jahr hunderte Millionen Euro. Eine Inbetriebnahme rückt immer neu in die Ferne. In einem neuen internen Bahnpapier steht da schon. Inbetriebnahme „2025ff“.

Vor allem explodieren bei Stuttgart 21 die Kosten. Vor wenigen Tagen konnte das Blatt KONTEXT hier in Stuttgart enthüllen: Diese internen Papiere der Deutschen Bahn AG belegen: Die Kosten für den Tiefbahnhof sind ein weiteres Mal massiv gestiegen: um 1,4 Milliarden Euro auf dann 9,6 Milliarden. Rein zufällig wird dabei die 10-Milliarden-Schranke noch nicht gerissen.

Dabei sind die Teuerungen beim Gäubahn-Anschluss, für neue Vorschläge, S21 mit noch mehr Tunneln und einem ergänzenden Kopfbahnhof im Untergrund doch noch Deutschlandtakt-fähig auszugestalten, noch nicht einmal eingerechnet.

Rechnet man ehrlich alles zusammen, dann könnten die Gesamtkosten am Ende 20 Milliarden Euro übersteigen. Das ist dann das 2,5fache des Berliner Flughafens. Wobei der ja bereits Rekordverluste brachte. Der Großflughafen ist dann übrigens derzeit gerade mal zu 15% ausgelastet.

Zurück zu S21: Längst spricht aus betriebswirtschaftlicher Perspektive alles dafür: Die Deutsche Bahn AG muss das Projekt Stuttgart 21 aufgeben. Anderenfalls werden immer neue gute Steuermilliarden den schlechten Steuermilliarden hinterhergeworfen. Dieses Fass hat keinen Boden.

Es gibt bekanntlich nur einen Grund für den Weiterbau: Die „Staatsräson“ – die Angst vor dem Gesichtsverlust. Niemand unter den Verantwortlichen bei der Bahn, in der Bundesregierung, in der olivgrün-tiefschwarzen Landesregierung und in der Stadt Stuttgart hat den Mut zu einem solchen Schritt.

Erinnert ihr euch an den Begriff der „sunk costs“? Werner Sauerborn hat ihn, so glaube ich, als erster in die Debatte geworfen. Es gibt die betriebswirtschaftliche Erkenntnis, die da besagt: Wenn man feststellt, dass ein Projekt unwirtschaftlich ist, dann muss es eingestellt werden – egal, wie viel man dafür bereits ausgegeben hat. Notfalls noch am Tag vor der Inbetriebnahme. Weil ein unwirtschaftliches Projekt schlicht bedeutet: Man macht damit ab Inbetriebnahme Jahr für Jahr Verluste.

Wir nannten die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf und den Schnellen Atom-Brüter in Kalkar als Beispiele für solche „Sunk-Cost-Projekte“, die aufgegeben werden mussten. Kalkar war sogar fertig gebaut. Doch der Brüter wurde nie in Betrieb genommen. Fünf Milliarden DM wurden damals in den Sand gesetzt. Sunk Costs eben – versenkte Kosten.

Und – das ist übrigens ein Hoffnungsschimmer aus dem ablaufenden Jahr: Just Ende 2020 gab ein weiteres Beispiel für solche „sunk costs“. In Hamburg wurde 2015 das Kohlekraftwerk Moorburg 2015 in Betrieb genommen. Ein angeblich hochmodernes Kohlekraftwerk. Jetzt wurde Ende 2020 beschlossen: Moorburg wird im Januar 2021 komplett vom Netz genommen. Das drei Jahren Betriebszeit.

Das feiern die Grünen jetzt als „Erfolg grüner Energiepolitik“. Das ist zynisch. Es war eine grüne Energie-Senatorin, die für Moorburg die Betriebserlaubnis erteilte. Und es war ein gewisser Olaf Scholz, der den roten Knopf für die Inbetriebnahme drückte.

Rot-Grün, derzeit echt ein super Team in Sachen Klimapolitik. Bei Moorburg. Oder auch im Dannenröder Forst, wo ein grüner Verkehrsminister mitverantwortlich dafür ist, dass Tausende Bäume gefällt wurden, damit eine neue Autobahn gebaut werden kann.

Vielleicht ist es am Ende ja so, dass Konservative eher den Mut haben, bei Stuttgart 21 auszusteigen. Dass ein OB Nopper und eventuell ein Bundeskanzler Markus Söder und möglicherweise eine Ministerpräsidentin Eisenmann mehr Arsch in der Hose haben als Kuhn, Kretschmann und Merkel zusammen.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

zum zweiten großen Thema, der kommenden Tarifauseinandersetzung bei der Bahn.

Am 19. Dezember 2020 gab es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Artikel mit der Überschrift: „Bahn: Streik-Gefahr trotz Rekordverlust – Machtkampf der Gewerkschaften EVG und GDL“.

Was hier wie eine überraschende Erkenntnis veröffentlicht wird, zeichnet sich seit geraumer Zeit ab. Tatsächlich dürfte es im Frühjahr 2021 eine harte Tarifauseinandersetzung zwischen der Deutschen Bahn und der GDL geben. Wobei es in diesem Kampf letzten Endes auch darum geht, dass erstmals und ausgerechnet in einem Staatskonzern das Tarifeinheitsgesetz durchgesetzt werden soll.

Zur Erinnerung: Es handelt sich bei diesem Gesetz um ein undemokratisches und antigewerkschaftliches Gesetz. Es wurde 2015 von der schwarz-roten Koalition – unter der Federführung der damaligen SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles – durchgesetzt. Der Inhalt jetzt mal ganz grob: Danach soll es in ein und demselben Betrieb nur noch eine Gewerkschaft geben, die als Tarifpartner in Frage kommt. Und das soll immer nur die jeweils stärkste sein.

Damit wird auch das Streikrecht einer Gewerkschaft, die nicht die Mehrheit unter den gewerkschaftlich Organisierten hinter sich hat, in Frage gestellt.

Das Gesetz wurde von Teilen der DGB-Gewerkschaften, so von der EVG, unterstützt. Einzelne DGB-Gewerkschaften, so Verdi, lehnten das Gesetzesvorhaben ab. Das Gesetz öffnet der Willkür Tür und Tor: Was ist ein Betrieb? Wie schnell kann ein Arbeitgeber die Grenzen für einen Betrieb neu und so ziehen, dass eine unliebsame Gewerkschaft plötzlich die numerisch schwächere ist!? Wie wird festgestellt, welche Gewerkschaft die stärkere ist? Wer darf wem in die Mitgliederlisten schauen?

Das Tarifeinheitsgesetz richtet sich in Wirklichkeit gegen sogenannte Spartengewerkschaften. Faktisch sollen Gewerkschaften wie der Marburger Bund bei den Ärzten oder Cockpit bei der Lufthansa oder eben die GDL bei der Bahn, die sich teilweise als kampfstark erwiesen, gefügig gemacht werden.

Entsprechend hart war der GDL-Arbeitskampf 2014/15. Trotz eines medialen Trommelfeuers gegen die GDL und gegen deren Vorsitzenden Claus Weselsky konnte die GDL nach massiven, bundesweiten Streiks einen Erfolg erzielen – mit einem eigenen Tarifvertrag, der auch eigene Akzente setzte. Vor allem akzeptierte in diesem Tarifvertrag die Deutsche Bahn AG, das Tarifeinheitsgesetz bis Ende 2020 – zugleich das Ende der Laufzeit des Tarifvertrags – nicht anzuwenden. Faktisch gestand damit der Bahnvorstand ein: Die Existenz von zwei Gewerkschaften mit deutlich unterschiedlichen Tarifverträgen ist natürlich in einem Betrieb machbar.

Doch was in den vergangenen Jahren machbar war, gilt jetzt nicht mehr. Der Bahnvorstand will jetzt das Tarifeinheitsgesetz zur Anwendung bringen. So verlangte er von der GDL einen weitgehend identischen Tarifvertrag abzuschließen wie derjenige, den die EVG im November abgeschlossen hatte. Für die GDL würde dies auf Selbstaufgabe hinauslaufen. Eine Gewerkschaft, die den Vertrag einer anderen Gewerkschaft weitgehend 1:1 übernehmen muss, wird nie überleben. Der laufen die Mitglieder davon.

Die GDL lehnte eine solche Übernahme des EVG-Tarifvertrags ab. Übrigens auch, weil dieser auf Reallohnabbau hinausläuft.

Die GDL ging jetzt ihrerseits am 19. November in die Offensive. In einer an diesem Tag beschlossenen Resolution heißt es:

„Nun liegt die Kampfansage der DB auf dem Tisch. In bewusster Abkehr von der bisher gelebten Praxis der Tarifpluralität verfolgt der Arbeitgeber das Ziel, […] die GDL als gestaltende Kraft im Eisenbahnsektor zu eliminieren. Eine […] kritische Gewerkschaft wird vom Markt gefegt, so das Ziel. […] Damit würde für den Bahnvorstand ein kampfstarker Störenfried […] ausgeschaltet. Und die EVG wäre die Konkurrenzgewerkschaft los.“

Im Folgenden gibt es in dieser Resolution einen Paukenschlag, dessen Bedeutung in der Öffentlichkeit bislang nirgendwo gewürdigt wurde. Dort heißt es weiter im Text:

„Daher haben der Hauptvorstand und die Bundestarifkommission der GDL am 17. und 18. November in Dresden entschieden, die selbst auferlegte Beschränkung auf das Zugpersonal aufzugeben und Verantwortung für das Gesamtsystem Eisenbahn und die dort systemrelevanten Berufsgruppen zu übernehmen.“

Das heißt: Die GDL hat sich bislang auf das Organisieren von Zugpersonal beschränkt – also auf Lokführer, auf Zugbegleitpersonal, auf Bordrestaurant-Beschäftigte. Jetzt öffnet sie sich für alle Bereiche von Beschäftigten bei der Bahn im produktiven Bereich. Das sind:

„Werkstattmitarbeitern, Wagenmeistern, Fahrdienstleistern, Signaltechnikern, Aufsichten und andere Mitarbeitern des direkten Personals in den Eisenbahnverkehrsunternehmen und in den Eisenbahninfrastrukturunternehmen“. Und nicht zuletzt die Beschäftigten bei DB Netz, also im Infrastruktur-Sektor.

Die GDL folgt damit der Logik des Tarifeinheitsgesetzes bzw. der Kampfansage der DB, dieses anzuwenden. Sie muss die nach Mitgliedern stärkste Gewerkschaft bei der DB werden.

Faktisch läuft dies jedoch nicht primär auf Erbsenzählerei, nicht auf die Zahl der Mitglieder hinaus.

Tatsächlich wird es auf Kampfkraft und auf die Streikbereitschaft ankommen. Und, wenn der Arbeitgeber, gestützt durch Bundesregierung und EVG, nicht einlenkt, dann läuft das auf einen flächendeckenden Streik hinaus.

Dabei wird es sich die Bundesregierung drei Mal überlegen, im Frühjahr 2021, gewissermaßen zum Auftakt des Bundestagswahlkampfs, einen Streik zu provozieren. Zumal der Deutsche Beamtenbund, in dem die GDL Mitglied ist, öffentlich erklärte: Die GDL hat die volle Unterstützung des Dachverbands. Was übrigens 2015 nicht der Fall war. Damals verweigerte der Beamtenbund der GDL die finanzielle Unterstützung. Die GDL-Leute kämpften ohne diese Rückendeckung. Und gewannen.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

lasst mich eine Bilanz ziehen:

Die Deutsche Bahn steuert in ein Krisenjahr 2021. Der Bahnkonzern wird durch anhaltende Verluste, mit den Rekordschulden und durch eine harte Tarifauseinandersetzung in eine existenziell-kritische Situation gelangen.

In dieser wird vieles, wenn nicht alles auf den Prüfstand gestellt. Dabei wird nochmals deutlich, dass der Kosten- und Zeitplan von Stuttgart 21 völlig außer Kontrolle geraten ist.

Und dass die Projekte, wie das Desaster angeblich geheilt werden kann – nochmals 40 bis 50 Kilometer Tunnel und noch ein Kopfbahnhöfle im Untergrund – immer absurder werden. Und immer hilfloser wirken. Damit werden auch neue Debatten darüber ausgelöst, wie kontraproduktiv der Rückbau von Bahnhofskapazitäten in Zeiten von Klimakrise und in Zeiten der Planung eines Integralen Taktfahrplan ist. Denn dieser Deutschlandtakt wird in Stuttgart – und damit im Südwesten – nicht fahrbar sein.

In dem absehbaren, harten Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn AG geht die GDL inzwischen auch in die politische Offensive. Sie fordert unter anderem – und richtigerweise – den Verkauf der Auslandsbeteiligungen der DB AG. Sie fordert auch einen deutlichen Abbau des Personals in den oberen und obersten Manager-Ebenen des Bahnkonzerns, also: weniger Wasserkopf.

Die Politisierung, die diese Auseinandersetzung mit sich bringt, sollte auch dazu führen, dass die GDL den Ausstieg aus den zerstörerischen Großprojekten der Deutschen Bahn AG – u.a. einen Stopp für die Verlegung des Bahnhofs Altona nach Diebsteich und einen Stopp bei Stuttgart 21 – fordert.

In der zitierten Resolution der GDL heißt es ja auch:

„Wir werden Verantwortung für das Gesamtsystem [Bahn] übernehmen“. Das muss nicht zuletzt heißen: Nein zu Stuttgart 21. Zumal kein verantwortungsbewusster Lokführer in einen regelwidrigen Schrägbahnhof einfahren sollte, in einen S21-Tiefbahnhof mit mehr als 15 Promille Gefälle.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

ich wünsche Euch trotz der schwierigen Epidemie-Umstände ein paar ruhige Tage.

Und natürlich einen guten Rutsch ins Jahr 2021.

Ich freue mich, dass ich zu dieser wunderbaren Familie gehöre, die nun mehr als ein Jahrzehnt lang diesen begeisternden Kampf führt. 2021 kann echt spannend werden.

Ich bin felsenfest davon überzeugt: Am Ende werden wir:

OBEN bleiben!

Winfried Wolf ist Chefredakteur von Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalern Ökonomie (www.lunapark21.net). Jüngste Veröffentlichung: Verena Kreilinger, Winfried Wolf, Christian Zeller, Corona, Kapital, Krise – Plädoyer für eine solidarische Alternative (Köln 2020, PapyRossa).