No war! Stoppt die Kriegstreiber!

Warum Russland keinen Krieg will. Warum der Westen Kriegshetze betreibt. Warum die Friedenbewegung mobilisieren muss

Reiner Braun und Winfried Wolf

Für Merz, Scholz, Baerbock, Lindner, Macron, Johnson & Biden ist die Sache klar: Es gibt nur einen Aggressor. Das ist Putin. Er will die Invasion. Er ist unberechenbar. Er hat bereits einen geheimen Putsch-Plan für Kiew.

All das ist Kriegspropaganda. Sie dient materiellen und politischen Zielen. Aber all das ist hochgefährlich. Es verblendet viele. Und kann in Krieg münden. Es sind fünf Gründe, die für unsere Überzeugung sprechen.

  1. Es gibt kein einziges rationales Argument, warum Russland eine Invasion in der Ukraine planen könnte.

Die Nato ist Russland militärisch haushoch überlegen, bei den Rüstungsausgaben 15 zu 1. Eine russische Invasion in der Ukraine würde eine Besatzungsarmee von vielen Hunderttausend Soldaten erfordern. Bürgerkrieg wie in Afghanistan wäre die Folge. Die dann zu erwartenden Sanktionen würden die Wirtschaft und den Finanzsektor Russlands massiv schädigen. Russland hätte nichts zu gewinnen und vieles zu verlieren.

  1. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion agiert Russland defensiv. Die Nato dagegen offensiv.

Moskau hat 1990/91 einen großen Teil des Staatsgebiets und seiner Einflusssphäre verloren. Der Warschauer Pakt wurde 1991 aufgelöst; die Rüstungsausgaben und die Mannschaftsstärke der Armee wurden drastisch reduziert. Die Nato dagegen blieb bestehen. Die Zahl der Mitgliedsländer hat sich auf dreißig verdoppelt. Der geographische Raum wurde – entgegen den Zusagen von 1990/91 – ständig nach Osten ausgeweitet. Seit 15 Jahren rüstet die Nato massiv auf. Mit der „Modernisierung“ der US-Atomwaffen senken die USA die Schwelle für einen Atomkrieg. Es gab die US-Kriege in Afghanistan (2001ff) und im Irak (2003ff). Und es gab den Nato-Krieg gegen Jugoslawien 1999. Die militärischen Aktivitäten Russlands nach 1990 waren Reaktionen auf die Ausweitung des westlichen Einflusses in Richtung Osten oder auf Provokationen wie in Georgien. Im Fall der Ukraine-Krise 2014 reagierte Moskau auf einen Putsch und auf das Verbot der russischen Sprache als zweite Amtssprache (siehe Seite 4).

  1. Das Bild, das unsere Medien zeichnen, ist deutlich ergänzungsbedürftig

Russland ist ein autoritär regiertes Land, in dem Menschenrechte verletzt und oppositionelle – auch kritische, demokratische – Medien ausgegrenzt, ja verboten werden. Die Schließung der verdienstvollen „Memorial“- Aufklärungsinstitution ist ein Beispiel. Dies festzustellen ist gerechtfertigt, wenn der Westen im Allgemeinen und die Ukraine im Besonderen einer vergleichbar kritischen Bilanz unterzogen werden. Im Nato-Mitgliedsland Türkei existiert ein autokratisches Regime. Es gibt Tausende politische Gefangene; die wichtigste Oppositionspartei, die kurdische HDP, ist vom Verbot bedroht. Seit 1974 hält die Türkei ein Drittel der Insel Zypern besetzt. Die Türkei rüstet die Ukraine mit Angriffswaffen auf. In der Ukraine werden seit 2014 dem russischsprachigen Bevölkerungsteil, der 30 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, elementare Rechte verweigert. So dürfen seit 2021 Publikationen nicht mehr ausschließlich in russischer Sprache erscheinen – sie müssen zweisprachig sein, was vielfach deren Ruin bedeutet. Der faschistische Freiwilligenverband „Asow-Regiment“ wurde in die ukrainische Armee integriert. Der zentrale ehemalige „Moskau-Prospekt“ in Kiew wurde vom Kiewer Stadtparlament 2016 in „Stepan-Bandera-Prospekt“ umbenannt. Stepan Bandera war ukrainischer Nationalist, der – zusammen mit SS und Wehrmacht – für die Ermordung Tausender Jüdinnen und Juden verantwortlich ist.

  1. Die Forderungen Moskaus gegenüber der Nato sind nachvollziehbar. Und sie sind erfüllbar.

Einfache Frage: Wie würde die US-Regierung handeln, wenn Russland heute – wie die UdSSR das 1961/62 tat – auf Kuba Atomraketen stationieren würde oder Truppen in Venezuela? Die Antwort lautet: Washington würde, wie 1962, mit einem atomaren Angriff auf Moskau drohen. Um Vergleichbares geht es im Fall einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Würden an der ukrainischen Ostgrenze Atomraketen stationiert, verringert sich für Moskau die Vorwarnzeit im Fall eines Atomschlags auf wenige Minuten. Moskaus Forderungen entsprechen den OSZE-Vereinbarungen von Istanbul 1999 und Astana 2010.

  1. Es geht um handfeste Profite – und um Geopolitik

Wie in allen Kriegen spielen Geld und Profit eine erhebliche Rolle. Gelingt es dem Westen, die Konfrontation um die Ukraine weiter zu verschärfen oder sogar kriegerische Auseinandersetzungen zu provozieren, dann wird der Handel zwischen der EU und Russland – wie 2014/15 erfolgt – ein weiteres Mal einbrechen. Vor allem werden die russischen Energieimporte reduziert. Davon profitieren vor allem die USA in Form von seit langen angestrebten, extrem unökologischen Flüssiggas-Importen. Wenn Macron in Kiew „vermittelt“, dann will er erklärtermaßen mit dem Auftrag zum Bau von fünf Atomkraftwerken zurückkommen. Bereits jetzt kassieren die westlichen Rüstungskonzerne aufgrund der Kriegshysterie neue Aufträge in Milliarden-Höhe.

Vor allem aber geht es im Ukraine-Konflikt um Geopolitik. Die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA ist seit langem im Sinkflug begriffen. Noch sind die USA militärisch führend. Diese Rest-Hegemonie soll verteidigt werden. Gegebenenfalls mit Krieg. Die US-Regierung und die Nato wollen mit dem Anheizen der Ukraine-Krise die EU und insbesondere Deutschland in eine umfassende „transatlantische Partnerschaft“ zwingen. Alle politischen, wirtschaftlichen und insbesondere energiepolitischen Verbindungen zur Atommacht Russland sollen gekappt werden. Der nächste Schritt ist dann die globale militärische Konfrontation: der Westen – also USA, EU und Nato – gegen China und Russland. Dann ist auch ein „großer“ Krieg, ein Atomkrieg, nicht mehr ausgeschlossen.

Die Friedensbewegung muss alles tun, diese Zusammenhänge deutlich zu machen. Wir müssen den Kriegstreibern in die Arme fallen! Die Gebote der Stunde lauten: Abrüsten statt aufrüsten! Verhandeln statt drohen!

Dieser Artikel erscheint am 11.2. in der Printausgabe der „Zeitung gegen den Krieg“. Sie kann HIER bestellt werden.