EU unter Räubern

Demokratieabbau, soziale Kluft und Militarisierung

Die EWG/EG erschien in den ersten Jahrzehnten des Bestehens vielen fortschrittlich orientierten Menschen als ein „neutrales“ oder auch als ein positiv besetztes Projekt. Es stand für einen Abbau von Grenzen und Zöllen, für Demokratie und Freizügigkeit. Und vor allem für „Nie wieder Krieg“. Das hat sich grundlegend verändert.

Demokratie in der EWG/EG/EU

Demokratie spielte in der EWG/EG nie eine ernsthafte Rolle. Wahlen und parlamentarische Gremien waren zunächst gar nicht vorgesehen. Fast ein Vierteljahrhundert lang (1956 bis 1979) gab es keine parlamentarischen Strukturen. Als 1979 zum ersten Mal eine Europawahl durchgeführt wurde, wirkte dies aufgesetzt. Das ist bis heute der Fall. Dem Europaparlament werden die elementaren Rechte eines „normalen“ bürgerlich-demokratischen Parlaments vorenthalten. Wenn sich die Bevölkerung eines Landes gegen ein zentrales EU-Projekt aussprach, galt die Regel: solange neu wählen, bis das Ergebnis stimmt. 1992 sagten die Dänen Nein zum Maastricht-Vertrag. 2001 und 2008 gab es zwei Mal ein irisches Nein zum Nizza- und dann zum Lissabon-EU-Abkommen. 2005 gab es ein französisches und ein niederländisches Nein zur EU-Verfassung. Die EU-Granden reagierten professionell: Man trat den Verfassungsentwurf in die Tonne und verabschiedete stattdessen einen Lissabon-Vertrag, in dem weitgehend das Gleiche steht wie im Verfassungsentwurf. Die Bevölkerung in Dänemark und diejenige in Irland durften dann so lange abstimmen, bis das Ergebnis für Brüssel passte.

In der Euro-Krise wurden dann extrem undemokratische Machtmittel entwickelt. Sie kamen vor allem in der Griechenlandkrise zur Anwendung. In dieser wurden die neu geschaffenen und besonders undemokratischen EU-Strukturen Eurogroup, EZB und Troika (letzteres formal zusammen mit dem IWF) gegen die griechische Bevölkerung in einer Weise eingesetzt, dass gegen die Demokratie in krasser Weise verstoßen wurde. So stimmten mehr als 61 Prozent der griechischen Bevölkerung im Juli 2015 in einem Referendum gegen ein neues „Memorandum“ und damit gegen die Fortsetzung der Austeritätspolitik. Die EU interessierte der Volksentscheid nicht.

Die soziale Kluft

Die EWG hat in den Römischen Verträgen vereinbart, bestehende soziale Differenzen innerhalb der EWG zu nivellieren. Eine Zeitlang – in den 1950er und 1960er Jahren wurde die soziale Kluft nicht wesentlich größer. Doch seit den großen Erweiterungsprozessen der EU in den Süden und nach Osten wird die soziale Kluft von Jahr zu Jahr größer. Es entwickelte sich eine abdriftende Peripherie (mit Irland, Portugal, Spanien, Italien, Kroatien, Zypern, Griechenland, Bulgarien, Rumänien und einem größeren Teil der anderen osteuropäischen Ländern) und einem relativ prosperierenden Zentrum mit Deutschland, Österreich, Luxemburg und den Niederlanden. Nehmen wir als Durchschnittswert das Bruttoinlandsprodukt je Kopf. Und setzen wir im jeweiligen Jahr das Durchschnittseinkommen in der EWG/EG/EU gleich 100. Dann gab es 1960 in der EWG die Spannweite Bundesrepublik Deutschland (als damals das Land mit dem höchsten BIP pro Kopf) = 117. Das in diesem Sinne „ärmste“ Land war Italien mit Index 91. Das BIP pro Kopf in Italien erreichte immerhin 78 Prozent des BIP pro Kopf in der BRD. 2016 sieht es deutlich anders aus. Nun liegt Deutschland bei Index 124 (also um 24 Prozent über dem EU-Durchschnitt). Die ärmsten EU-Länder sind Bulgarien (Index 48), Rumänien (Index 58) und Kroatien (Index 59). Das BIP pro Kopf in Bulgarien erreicht 39 Prozent des BRD-BIP-Werts. Und es gibt eine Reihe andere Länder (wie Ungarn, Polen, Slowakei, Griechenland), deren BIP pro Kopf bei weniger als der Hälfte des BRD-Werts liegt. Wobei dies Durchschnittswerte sind. Die reale Situation ist oft wesentlich brutaler.

Die EU, die Kriege und die EU-Militarisierung

Nach 1990 wurde in der EU die Tendenz zur Militarisierung, die es schon immer gab, massiv verschärft. Zunächst in der Art und Weise, wie auf die Krise in Jugoslawien reagiert wurde. Die vorzeitigen diplomatischen Anerkennungen der „Ausgründungen“ Kroatien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina beschleunigten die Krise und begünstigten die Balkankriege. Schließlich beteiligten sich im Kosovokrieg 1999 die führenden EU-Staaten aktiv an einem völkerrechtswidrigen Krieg, wobei sie sich dabei gleichzeitig sklavisch den USA unterordneten. Ende 2017 kam es zu einer neuen Steigerung des Militarisierungsprozesses der EU – zur Bildung von PESCO (deutsch: „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“). Es handelt sich um ein Bündnis innerhalb der EU von 23 EU-Mitgliedstaaten (Malta und Dänemark blieben außerhalb), das sich die Militarisierung der EU zum Ziel setzt. Unter anderem verpflichtet PESCO die Mitgliedstaaten, die Rüstungsausgaben in jedem PESCO-Staat von Jahr zu Jahr anzuheben.

Bilanz: Die EU ist undemokratisch, unsozial. Sie treibt die Militarisierung der Welt voran. Und sie sieht in Kriegen ein Mittel der Politik.

Dieser Beitrag erschien erstmals in der Zeitung gegen den Krieg Nr. 44, März 2019